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Redakteur bei Antenne Thüringen

Nachdem ich bereits von Juli bis September 2000 ein Redaktionspraktikum bei ANTENNE THÜRINGEN absolviert hatte, war ich seit Oktober 2000 als freier Mitarbeiter beim damals größten Thüringer Privatradiosender tätig.

Während des Praktikums assistierte ich Moderator Dirk Sipp bei der Vorbereitung der werktäglichen Mittagssendung, recherchierte Themen, führte Interviews und Umfragen durch und baute komplette Beiträge mit Audioschnitt und Moderationstexten (u.a. die täglichen Börsen-Nachrichten).

Nach Ablauf des Praktikums schrieb ich sämtliche Skripte und fertigte die Musikbetten an für das von Dirk Sipp entwickelte tägliche Hörerquiz „Sippelin", welches mit insgesamt 511 Folgen von Oktober 2000 ununterbrochen bis Januar 2003 lief. Desweiteren bereitete ich im Sonntagsdienst die montägliche Frühsendung vor, bearbeitete Interviews und erstellte Beiträge für Sipps wöchentliche Oldie-Sendung „Yesterhits", für die wir 2002 den „Radiojournal Rundfunkpreis" erhielten.


Redaktion 10 bis 1 Die Mitarbeit bei Antenne Thüringen habe ich im Zuge meines Studienabschlusses im Sommer 2003 beendet. Trotzdem bin ich dem Sender und insbesondere der Sendung "Yesterhits" auch weiterhin sehr verbunden.

v.l.n.r.: Moderator Dirk Sipp, Redakteur Christoph Kümmritz und ich

Mit der Sendung "Yesterhits" gewannen Moderator Dirk Sipp und ich im Jahre 2002 den "Radio-Journal-Rundfunkpreis" für die "Beste Musiksendung". Dazu wurde der folgende Artikel im Fachmagazin "Radiojournal" veröffentlicht:

Beste Musiksendung:

Antenne Thüringen - »Yesterhits« mit Dirk Sipp

Begründung der Jury: Die Mischung aus alten "DDR"-Hits und Wortbeiträgen über diese Zeit überzeugte die Jury von dieser Sendung. Dieses vierstündige Programm, das jeden Sonntag das klassische Hot AC-Format sprengt, lässt bei den Hörern alte Erinnerungen Revue passieren, ohne nostalgisch zu verklären. Jeder Musiktitel und jedes damalige Ereignis wird in die Begleitumstände der jeweiligen Zeit eingeordnet.
Mit O-Tönen von Künstlern, Zeitzeugen oder Konzertbesuchern entsteht ein detailgetreues Bild vom kulturellen Leben in der DDR, das auch kritische Kommentare einschließt.


Müller, Sipp und Radig Wer sonntags von 18 bis 22 Uhr in Thüringen unterwegs ist und im Radio die Antenne eingeschaltet hat, traut für einen Moment seinen Ohren nicht. Thüringens erster Privatsender überlässt den »Yesterhits« die Frequenz, einer Sendung, die bewusst die traditionellen Regeln eines rund um die Uhr durchhörbaren „Hot-AC-Formats“ durchbricht. Hier dürfen Oldies und sogar DDR-Pophits gespielt werden und Moderator Dirk Sipp setzt seine eigenen CDs samt eigener Playlist ein.

Angefangen hat alles vor vier Jahren. Aus dem Bauchgefühl heraus konzipierte Dirk Sipp eine Sendung, mit dem Ziel, anspruchsvolle Beiträge zu produzieren, die Erinnerungen an die „gute alte Zeit“ der 70er und 80er Jahre wieder aufleben lassen, ohne dabei Probleme auszublenden oder gar nostalgisch zu verklären.
Zum kleinen Team der Sendung, die mittlerweile Kultstatus in Thüringen erlangt hat, gehören auch Mitarbeiter Mario Müller und Antenne Thüringen-Musikredakteur Norbert Radig. Letzter verweist darauf, dass die Hits, die jetzt am Sonntagabend laufen, in den Anfangsjahren von Antenne Thüringen auch noch gespielt wurden und jene Oldies auch gut bei der Hauptzielgruppe der bis 49-Jährigen ankommen.
„Gerade am Abend leisten wir uns ohnehin den Luxus, auch ein paar Sendungen anzubieten, die sich an ein spezielleres Publikum wenden. So haben wir seit kurzem eine explizite Rocksendung im Programm, während am Samstagabend natürlich mehr Dance dominiert.“

Norbert Radig hat auch miterlebt, als die »Yesterhits« nach der ersten Staffel für einige Zeit pausierten, um die Reaktionen der Hörer auf die ausbleibende Sendung abzuwarten. Die einsetzende Post-, Fax- und eMail-Flut war letztendlich für die Programmverantwortlichen die Bestätigung, das Format mit der treuen und durchaus messbaren Fangemeinde fortzusetzen. „Da wir für Thüringen senden, liegen uns besonders Beiträge am Herzen, die einen Bezug zum Alltag und zu besonderen Ereignissen in der DDR haben“, erzählt Moderator Dirk Sipp. „So ließen wir zum Beispiel einen Augen- und Ohrenzeugen vom legendären Bruce-Springsteen-Konzert in Ostberlin im Jahre 1988 berichten, Musiker Andreas Graumnitz aus Weimar (seine Band wurde gerade zu „Deutschlands bester Showband 2002“ gewählt) erzählte von seinen Erlebnissen an der Baikal-Amur-Magistrale in Sibirien, wo er die Bauarbeiter an der Trasse in den 80er Jahren mit Rockmusik unterhielt und anlässlich des 30. Bühnenjubiläums der Gruppe CITY hatten wir ein siebenteiliges Interview mit Toni Krahl, dem Frontmann der Band, im Programm.“


Und Norbert Radig, selbst eingefleischter Musiker, ergänzt: „Dirk und ich sind mit der Musik groß geworden, die in den »Yesterhits« läuft. Wir hatten trotzdem ein unterschiedliches Umfeld - Dirk hat Platten aufgelegt, ich war eher ein musikalisches Mitglied der Langhaar-fraktion – was sich heute positiv auf die Sendung auswirkt, weil eine größere Bandbreite an Themen möglich ist. Das Gleiche gilt auch für die Musikzusammenstellung: Wir haben vier Blätter für vier Stunden, die ohne irgendwelche Computerkategorien auskommen. Unsere Hörer mögen 60er Jahre-Balladen ebeno wie Dance-Titel aus den 80ern, einen Frank Sinatra aus den 50er Jahren oder einen alten Elvis – und wenn mal ein Titel von 1992 dabei ist, stört das auch keinen. Schön ist auch, dass wir die Maxi-Versionen spielen können. Wo sonst läuft zum Beispiel ‚Hotel California’ von den Eagles in der 7-Minuten-Fassung? Bei uns laufen auch mal französische Titel aus dieser Zeit, wir sind da ganz flexibel und richten uns nach den Hörern.“ Die sind ohnehin sehr aktiv, wie auch Mitarbeiter Mario Müller weiß. „Wir bekommen immer wieder Post, wo Hörer den Titel und Interpreten eines Songs nicht kennen, aber eine Zeile daraus aufgeschrieben haben, wie es von der Phonetik her passt. Wir sitzen dann immer hier und überlegen, welches Stück gemeint sein könnte. Wir haben auch schon Tapes mit ‚Halb-Stunden-Unterwasseraufnahmen’ bekommen, die so natürlich nicht verwendbar waren. Aber die Hörer beteiligen sich an den »Yesterhits« und das ist das Wichtigste.“

Dirk Sipp Weitere feste Rubriken in der Sendung sind unter anderem Rückblicke auf die deutschen Charts vor jeweils 35, 30, 25 und 20 Jahren, das Verlesen von Hörerpost sowie die Vorstellung von Klassikern aus der Rock- und Popgeschichte der DDR unter dem Titel „Der AMIGA-Yesterhit“ in Kooperation mit der Plattenfirma AMIGA. Gerade diese Rubrik ist bei den Hörern gefragt wie keine andere. Sind hier doch die Kultscheiben von damals, wie „Am Fenster“ von CITY, „Nie zuvor“ von Elektra, Ute Freudenbergs „Jugendliebe“ oder „Alt wie ein Baum“ von den Puhdys zu hören. Auch die junge Generation scheint das anzusprechen. So ist ein Zehnjähriger unter den Hörern, dem die Mischung gefällt und der sich auch regelmäßig meldet.

Mit den gespielten Titeln verbindet Dirk Sipp auch ganz eigene Geschichten. War es doch in der DDR gar nicht so einfach, an die Platten heranzukommen. So brachte Dirks Oma die begehrten Scheiben immer aus dem Westen mit. Jeder Song bekommt so seine persönliche Note und auch die Art und Weise der Präsentation ist ein Spiegelbild von Dirks Erfahrungen und Erlebnissen. „Gerade bei den Wortbeiträgen greifen wir auch Themen auf, die uns selbst bewegt oder betroffen haben“, erzählt er. „In der Schule sprachen wir damals darüber, warum es in unserer Wohngebietsgaststätte ‚Freundschaft’ keine Fleischklößchen gab. Uns wurde damals erzählt, dass das an der Maul- und Klauenseuche liegen würde. Das stimmte aber nicht, wie wir bei den Recherchen zu den »Yesterhits« herausgefunden haben. Das Fleisch wurde schlicht und einfach gegen harte Währung in die BRD exportiert, während es in der DDR dann fehlte. Auch die Auswirkungen der Tschernobyl-Katastrophe auf die Lebensmittelversorgung in der DDR, speziell in der NVA, haben wir thematisiert, denn niemand wusste, warum es plötzlich massenweise grüne Gurken gab...“.

Auch alte Musikbarden wie der Erfurter Blues-Musiker Jürgen Kerth oder der erste Profi-DJ der DDR, Hartmut Kander, der anlässlich seines 60. Geburtstags in die »Yesterhits« kam, sind gern bei Dirk Sipp in der Sendung zu Gast. „Hartmut Kander war ja ein ganz bekannter Mann. Ich hatte all seine Bücher gelesen, bevor ich Schallplattenunterhalter, wie es damals hieß, wurde. Neulich berichteten wir über das DT 64-Sonderkonzert mit Depeche Mode, bei dem lange Zeit überhaupt nicht klar war, ob es überhaupt stattfinden würde. Um diese Zusammenhänge zu erhellen, habe ich David Gore, dem Sänger von Depeche Mode, geschrieben.“

Aufgewachsen mit der „Podiumsdiscothek“ von DT 64 besuchte Dirk nach der Schule die Arbeitsgemeinschaft „Junge Discosprecher“. „Jeden Musiktitel, der mir im Leben etwas bedeutet hatte, habe ich auf ORWO-Kassetten mitgeschnitten. Zuerst haben wir im Sender sogar damit noch gearbeitet. Gemeinsam mit dem riesigen Musikarchiv von Norbert haben wir eine sehr solide Basis für die »Yesterhits«.

Und wie kam Dirk Sipp, ein Mann der ersten Stunde beim Sender, damals, vor fast zehn Jahren, zu Antenne Thüringen? „Bei mir zu Hause in Waltershausen hörte ich im Radio auf der Inselsberger Frequenz 102,2 MHz plötzlich wieder Musik. Früher lief hier DT 64, jetzt war eine Hinweisschleife mit Moderatorin Christine Schuhmann auf den Sendestart von Antenne Thüringen aufgeschaltet. Danach lief ‚Words’ von F.R. David. Jetzt müsste im Anschluss eigentlich nur noch ‚Moviestar’ von Harpo kommen, dann wäre das perfekt, dachte ich mir mit meiner Diskotheker-Erfahrung. Und tatsächlich, als ob es eine Vorhersehung gewesen wäre, es kam Harpo. Ich hab’ mich dann bei Antenne Thüringen beworben, ohne die gleichzeitig geschaltete Zeitungsanzeige zu kennen, wurde vom Chef eingeladen und durfte bleiben. Angefangen habe ich dann nachts zu moderieren, mein erster Ramptalk war bei ‚Yellow River’ von Chris Dee“.

Mittlerweile ist Dirk Sipp neben den sonntäglichen »Yesterhits« von »Zehn bis Eins« im Antenne Thüringen-Vormittagsprogramm zu hören. Auch Norbert Radig ist von Anfang an bei Antenne Thüringen dabei. „Als leidenschaftlicher Musiker hatte ich mich zum Sendestart bei Antenne Thüringen beworben. Über sechs Jahre war ich dann dort der Nachtmoderator. Danach habe ich mich auf meine Aufgaben als Musikredakteur konzentriert und bin als Mitglied der Antenne Thüringen-Band auch für die dortigen Abläufe zuständig.“

Jüngster im Team ist Mario Müller, der nach Moderationscasting und Zivildienst zu einem „ziemlich harten Praktikum“ zu Dirk Sipp kam. „Wir haben uns gut verstanden und so bin ich dann als freier Mitarbeiter dabei geblieben, als es mit den »Yesterhits« in die zweite Runde ging. Heute bin ich für die Koordination der Beiträge zuständig.“ Ansonsten studiert Mario, der zwei Tage die Woche bei Antenne Thüringen ist, seit Sommer 2000 in Erfurt Kommunikationswissenschaft und Geschichte.

Der Name »Yesterhits« wurde übrigens patentiert. Dirk Sipp ist ohnehin Feuer und Flamme für sein Programm – wer sonst bedruckt schon sein Auto mit der URL der eigenen Sendung? Begleitend zur Sendung finden mittlerweile auch „Yesterhits-Partys“ mit der Oldieband „Yellow Submarine“ statt. Auch hier wieder dabei: Norbert Radig. „Wenn die richtigen Leute kommen, gehen auch die alten Kamellen so richtig ab. Wir halten es bei den Partys wie in der Sendung. Neben den Oldies gibt es auch ein paar unbekannte Versionen bekannter Lieder.

Die Band gab es schon vorher. Wir haben Strukturen, die älter sind als die »Yesterhits«, erfolgreich für off-air-Aktivitäten zur Sendung genutzt.“ Und sonst? „Die Hörer könnten sich noch etwas aktiver auch über’s Internet beteiligen“ ist Dirk Sipps abschließender Wunsch. „Mir liegt viel daran, den Kontakt zu den Hörern zu pflegen. Wir erfüllen online aufgegebene Musikwünsche und verlosen regelmäßig Konzertkarten oder CDs. Über ein Forum auf der Homepage kann während der Sendung direkt mit mir Kontakt aufgenommen werden. Bereits zwei Tage vorher steht die komplette Playlist zur Ansicht im Netz bereit. Schließlich wird auch heute noch fleißig mitgeschnitten.“


Autor: Stefan Förster

Fotos: oben rechts: Dirk Sipp mit Redakteur Mario Müller und Musikredakteur Norbert Radig; © Antenne Thüringen