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Universitätszeitung "Campus", 6/2002:


Quo vadis, Studium Fundamentale?


Schule bereitet dich aufs Leben vor – Studium noch viel mehr. Spätestens wenn es darum geht, einen Platz in einem Stufu-Seminar zu ergattern, lernt man, warum Gott den Menschen mit Ellenbogen ausgestattet hat. Dass an der Universität Erfurt in diesem Semester 1081 neue Studenten angefangen haben, ist für das Bild, welches die Uni nach außen repräsentiert und in gewisser Weise auch ihre Existenz legitimiert, gut und wichtig. Für den praktischen Studienbetrieb jedoch bahnt sich eine mittlere Katastrophe an, die die noch recht neue Universität die Grenzen ihrer Belastbarkeit durchbrechen lassen wird – und zwar schneller, als ihr lieb sein kann.

Wenn, wie in der Studienordnung vorgesehen, jeder Student während seines Studiums eine bestimmte Anzahl an Leistungspunkten durch die Belegung von Seminaren des Studium fundamentale erbringen muss, dann muss auch gewährleistet sein, dass eine entsprechende Zahl von Seminarplätzen angeboten wird. Das ist nicht der Fall. Zwar gibt es im Bereich "Methodisch-theoretisches Grundlagenwissen" außer den üblicherweise teilnehmerzahlbeschränkten Angeboten noch ein paar Seminare, die beliebig viele Studenten aufnehmen, doch führt dies dazu, dass an diesen Seminaren dann auch tatsächlich beliebig viele Studenten teilnehmen, was den Begriff "Seminar" ad absurdum und sowohl Studenten als auch Dozenten auf Dauer zum Wahnsinn führt. So wurde zum Beispiel das für alle offene Seminar "Lebensraum Stadt" zum Sammelbecken für nahezu 250 Teilnehmer. Einerseits gebührt den Professoren Lentz und Klein dafür unendlicher Dank der Studierenden, die schließlich eine Heimat finden konnten. Andererseits ernten diese Professoren natürlich auch Kopfschütteln der Kollegen, die verständlicherweise nicht ganz nachvollziehen können, wie man sich so etwas nur antun kann. Aber anders geht`s wohl zur Zeit nicht. Schließlich haben Chor und Orchester keine Exklusivrechte für das Audimax, Seminare werden dort in Zukunft regelmäßig stattfinden. Auch gut, dass Erfurt ja noch eine Messehalle hat.

Schlecht jedoch ist, dass man sich einerseits sowohl mit dem innovativen Studium fundamentale als auch mit der rasant anwachsenden Studentenzahl stolz brüstet, andererseits das zu Recht gepriesene Reformkonzept auf dem angestrebten hohen Niveau keinesfalls mehr umgesetzt werden kann. Individuelle Betreuung? Ausreichend interessante Seminarthemen? Genügend Stühle? Fehlanzeige!

Und während sich einige Professoren mehr oder weniger komplett aus dem Stufu raushalten, gibt es Leute wie Geographie-Professor Dr. Rost, der in den letzten Semestern mehr angeboten hat als gefordert war, und der auch nicht kleinlich war, wenn mal so um die 30 Leute mehr im Seminar saßen als eigentlich vorgesehen waren. Obwohl diese Seminare zu den am besten besuchten gehörten, soll das Fachgebiet Geographie in Erfurt ausradiert werden. Auf dass sich die Themenpalette weiter verringere!
Um etwas zu verändern, sollten die Studenten das tun, was sie früher mal sehr gut konnten: lautstark protestieren.
"Wer gut studieren will, der gehe nach Erfurt." Wenn sich die Universität diesen wertvollen lutherschen Werbespruch erhalten will, dann muss gehandelt werden. Sonst lachen uns irgendwann alle aus. Und es spricht sich herum, dass es sich in Erfurt doch nicht so toll studieren lässt. Und dann sinken die Studentenzahlen wieder. Und dann wäre das Problem ja gelöst. Ach so, deshalb läuft das Stufu auf Sparflamme! Das ist also alles Absicht? Na dann ist ‘s ja gut.

Mario Müller